Obstproduktion im Zeichen des 
Klima­wandels: Was tun gegen Frost?

Der Klimawandel ist für den Obstbau schon länger kein Schreckgespenst der Zukunft mehr. Mittlerweile sehen sich Produktionsbetriebe alljährlich mit extremen Wetterereignissen wie Spätfrost konfrontiert. Wir zeigen, welche Strategien wirklichen Schutz bieten können.


Daniel Alexandre Neuwald | Felix Büchele
Kompetenzzentrum Obstbau Bodensee, Bavendorf (D)
Diesen Artikel finden Sie in der Ausgabe 09 / 2022 , S. 20

Der Trend der letzten Jahrzehnte von zunehmend wärmeren Temperaturen im Frühjahr hatte eine kontinuierlich verfrühte Blüte der heimischen Obstarten zur Folge. Im März und April sind Frostnächte mit weit unter null jedoch durchaus üblich, können aber kata-
strophale Folgen haben. Schlimmstenfalls bedeuten sie den Totalausfall der Ernte, aber auch bei rein optischen Makeln wie Frostnasen und -ringen (Abb. 1) müssen Produzierende mit deutlich schlechteren Preisen rechnen.  
 

 


Abb. 1: Optischer Makel: Frostringe. (© D. Neuwald)

 

Massnahmen zum Schutz vor Frost beginnen mit der Überwachung der Wettervorhersagen sowie einem Blick in die Obstanlage, um den Entwicklungsstand und folglich die Empfindlichkeit der eigenen Kulturen einschätzen zu können. Idealerweise wird in der Anlage durch Messung von Temperatur und relativer Luftfeuchtigkeit der Taupunkt bestimmt, also wann sich die Feuchtigkeit der Luft niederschlägt. In der Regel greifen Produzentinnen und Produzenten auf langjährige Erfahrungswerte zurück und kennen die besonders anfälligen topografischen Lagen in ihrer Anlage. 

Wärmespeicherung fördern

Grundsätzlich speichern nur die Böden in der Anlage Wärme und können diese bei niedriger Lufttemperatur wieder abstrahlen. Wie viel Wärme für ungünstige Perioden gespeichert werden kann, hängt dabei stark von den Bodeneigenschaften und dem Wassergehalt ab und lässt sich durch Kulturmassnahmen verbessern. Eine frühzeitige Beikrautkontrolle im Baumstreifen ist zu empfehlen, damit das organische Material vollständig abgebaut ist und der Boden nicht weiter isoliert wird. Immerhin bis zu 2 °C Differenz sind zwischen hoher Vegetation und freien Böden möglich. Unschätzbar in Situationen, in denen es auf jedes Grad Celsius ankommt. 

Abhängig von der Obstart sind Abdeckungen wie Folien oder Vliese zur Temperatursteuerung Standard in der Kulturführung. Im Baumobst mit meterhohen Anlagen fällt die Durchführung schwieriger aus. Bei Kirschen sind in vielen Fällen Regenfolien vorhanden, die für die Frostprävention eingesetzt werden können, wobei natürlich das Schneefallrisiko berücksichtigt werden muss. Folien sind bei Kirschen in vielen Fällen als Regenüberdachung vorhanden oder sie können in die Hagelnetze integriert werden, um oberhalb der Bäume eine Barriere für aufsteigende warme Luft zu bilden. 

Hagelnetze allein zeigten keine vergleichbare Wirkung. Allerdings wirkt die Barriere in beide Richtungen. Da die Böden für 
eine ausreichende Wärmespeicherung möglichst viel Einstrahlung ausgesetzt sein sollten, müssen Folien oder Netze an Schönwettertagen aufgerollt werden. Dennoch ist es kritisch, weitere Mengen an Plastik in die Obstanlage zu bringen (Stichwort Belastung durch Mikroplastik) und die Haltbarkeit der Folien ist begrenzt auf wenige Jahre. 

Inversionslage

Abhängig von den örtlichen Gegebenheiten können sich sogenannte Inversionslagen bilden. Dort kühlt sich besonders bei sternenklaren Nächten die Erdoberfläche schnell ab und strahlt diese Kälte in die darüberliegenden Luftmassen. Diese atmosphärische Schicht reagiert verzögert auf Temperaturänderungen. Die Temperatur der Luft nimmt mit der Höhe zu, was mit einer Umwälzung der Luftschichten ausgenutzt werden kann. Verschiedene Windmaschinen sind erhältlich, um Obstanalgen bei Inversionslage durch Luftumwälzung vor Frost zu schützen. Voraussetzung ist eine geeignete Lage: In den darüberliegenden Luftschichten muss ausreichend Wärme vorhanden sein, um diese mit der darunterliegenden kälteren Luft zu vermischen. Andernfalls wird die Frostwirkung zusätzlich verstärkt. Nicht zu unterschätzen ist die erhebliche Lärmbelästigung, die von den Windmaschinen ausgeht. Ein Einsatz in Siedlungsnähe ist problematisch. 
 

 


Abb. 2: Heizen mit Frostschutzkerzen. (© D. Neuwald)

 

Aktiver Frostschutz durch Heizen oder Wasser

Durch den Einsatz von Heizgeräten, Frostschutzkerzen (Abb. 2) oder Festbrennstoffen kann der Wärmeverlust der Anlage teilweise ausgeglichen werden. Leider ist dies ein sehr verschwenderisches Verfahren, da der grösste Anteil der frei werdenden Energie verloren geht. Der Erfolg hängt massgeblich von der Positionierung der Heizer, der gewählten Temperatur bzw. der Grösse der Flamme und den örtlichen Gegebenheiten ab. Denn die Frostschutzwirkung beim Heizen erfolgt primär durch Durchmischung der Inversionsschicht (s. Inversionslage) und nur zu einem geringen Anteil durch direkte Wärmeabstrahlung. Bei zu grossen Flammen oder schwacher Inversionslage steigt die warme Luft zu hoch und es erfolgt keine Durchmischung der Inversionsschicht. In gefährdeten Lagen wie an den Rändern der Anlage oder in Senken sollten vermehrt Heizquellen aufgestellt werden. 

Wasser stellt im Schutz vor Frost in mehreren Hinsichten ein geeignetes Werkzeug dar. Grundsätzlich können zur Unterstützung der Wärmespeicherung Gräben geflutet werden. Bei der Abkühlung des Wassers wird Energie frei, die die Luft- und Oberflächentemperatur in der Anlage erhöht. Die wirksamste und kostengünstigste Massnahme bleibt jedoch die Frostschutzberegnung. 

Es werden zwei verschiedene Ansätze unterschieden: Bei der Unterkronenberegnung werden unterhalb der Äste Sprinkler angebracht und somit nur der Boden bewässert und folglich die Wärmespeicherung verbessert. Die erwärmte Luft steigt auf und bietet den empfindlichen Blüten Schutz. Zudem könnte die Anlage zur Bewässerung während Trockenperioden dienen. Da die Beregnung unterhalb der Pflanzen erfolgt, sind keine phytosanitären Nachteile wie z.B. Förderung von Schorfbefall zu erwarten. Dennoch deutlich effizienter im Frostschutz ist die Überkronenberegnung (Einstiegsbild). Beim Erstarren des Wassers, also beim Übergang von flüssig zu fest, wird Wärme abgegeben (Erstarrungswärme). Durch die dabei frei werdende Energie werden die empfindlichen Blüten ausserhalb des kritischen Temperaturbereichs gehalten. Unbedingt zu beachten ist, dass die Beregnung nicht unterbrochen wird, um eine kontinuierliche Erstarrung und somit Wärmezufuhr zu garantieren. Bei Wind hingegen ist von einer Beregnung abzuraten, da hierbei die Verdunstung des Wassers gefördert wird. Für diese Zustandsänderung von fest zu gasförmig wird ein Vielfaches der Energiemenge der Erstarrungswärme entzogen und folglich wäre mit grösseren Schäden zu rechnen als ohne Beregnung. Zusätzlich ist diese Methode nicht für jede Kultur geeignet. Bei Kirschen verkleben bei direkter Beregnung die Blüten, die Bestäubung wird erschwert. Die Folgen wären, ähnlich wie in einer Frostnacht, ein reduzierter Fruchtansatz und eine beeinträchtigte Fruchtentwicklung. Somit bietet sich nur die Unterkronenberegnung an. Das grösste Hindernis stellt jedoch die Verfügbarkeit von Wasser dar. Selbst wenn Wasservorräte nahe am Betrieb vorhanden sind, ist eine Genehmigung zur Wasserentnahme noch lange nicht garantiert. 

Fazit

Verschiedene Ansätze zum Schutz vor Frost stehen zur Verfügung. Passive Massnahmen dienen meist der Förderung der Wärmespeicherung in der Anlage und schaffen ein gutes Fundament zum Schutz der empfindlichen Pflanzenteile. Sobald Extremtemperaturen weit unter 0 °C erreicht werden, können Ernteausfälle nur durch Zufuhr von Wärmeenergie zuverlässig verhindert beziehungsweise verringert werden. Die Überkronenberegnung bleibt zumindest im Kernobst die wirksamste Methode in kalten Nächten, bei ungünstiger Wasserversorgung sind Heizer oder Frostschutzkerzen ratsam.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert